Am Mississippi • Blues und Baumwollfelder
„Blues Highway” wird der Highway 61 genannt: 4000 Kilometer begleiten Mythen und Legenden um diese Straße den Mississippi auf seiner Reise durch Amerika. So soll an einer Kreuzung im Städtchen Clarksdale vor über 70 Jahren ein junger Musiker seine Seele an den Teufel verkauft haben. - Der zeigte ihm dafür, wie man den Blues spielen kann.
Der Blues führte auch John Ruskey vor vielen Jahren an das Ufer von Amerikas großem Strom. Später begann John mit dem Bau von Kanus. Mittlerweile nennen sie ihn schon längst den „Riverman“. Mit ihm bereisen wir an Bord von zwei traditionellen Kanus den mächtigen „Ol´ Man River“ und entdecken eine Welt voll wilder, oft gänzlich unberührter Schönheit. Die Welt von Huckleberry Finn kehrt zurück in einer Nacht auf einer Sandbank, beim Schein des Lagerfeuers und unter einem endlosen Sternenhimmel.
Verborgen hinter den Deichen liegt das „Delta“, - einst ein riesiges Überschwemmungsgebiet. Frühe Entdecker hielten es für die Mündung des Flusses und gaben ihm deshalb diesen irreführenden Namen. Überall noch sieht man die Hütten einstiger Sklaven, die aus Sümpfen fruchtbares Ackerland machten. Hier treffen wir Baumwollfarmer Aven Whittington. Trotz verregneter Ernte erhofft er sich Baumwolle für fast eine Million Jeans. An jeder Hose, sagt er uns, verdient er einen Dollar.
„Gold des Mississippi“ wurde die Baumwolle einst genannt, als Sylvester Hoover als eines von neun Kindern einer Baumwollpflücker-Familie auf der Farm der Whittingtons geboren wurde. Als Kind wuchs er auf in einer Welt der Armut, Rechtlosigkeit und Rassentrennung. Zusammen mit seiner Frau Mary Ann hält Sylvester die Erinnerungen an diese Zeit lebendig: Ihr „Back in the Days“ - Museum ist eine bescheidene, bedrückende Holzhütte, in der die Mutter ihren Kinder Hosen aus Mehlsäcken nähte.
Gleich um die Ecke, im Dörfchen Money, führt uns Sylvester Hoover zur Ruine eines Krämerladens. Weil hier im August 1955 der 14jährige farbige Junge Emett Till der Frau des Ladenbesitzers hinterher pfiff, wurde er vom Ehemann und dessen Freunden entführt, tagelang gefoltert, verstümmelt und schließlich im Fluss versenkt. Weiße Geschworenen sprachen anschließend die Mörder frei. Die Empörung darüber gilt heute als Auslöser der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung.
Vieles hat sich seither verändert, aber der Blues ist für die Menschen des Deltas bis heute Ausdruck des Glücks und der Trauer geblieben. In den dunklen Straßen oft trostlosen Siedlungen des Deltas haben verschwiegene Cafes und Bars überlebt, - noch immer fasziniert das Reich der Blues Musiker, der Könige des Delta.
Einer von ihnen ist Jerry Fair. Schon der Vater war Musiker in der Kirche, jeden Sonntag musste auch Jerry den Gospel Chor begleiten. Die Melodien und frommen Texte von damals, sagt Jerry heute augenzwinkernd, haben wir Bluesmusiker nicht viel verändern müssen, um daraus die „Musik des Teufels“ zu machen. Ihm und seiner Familie hat sie bescheidenen Wohlstand gebracht.