1990 - Ende und Anfang
Begleitdokumentation zu "Weissensee"
ARD/MDR 2018, 30 Minuten
Kamera und Schnitt: Bernhard Sehne
Redaktion: Martin Hübner (MDR)
Eine Produktion der Saxonia Entertainment, Leipzig
Schauspieler aus "Weissensee" und andere Zeitzeugen erinnern sich an das Ende der DDR im Jahr 1990:
Uwe Kockisch
damals Schauspieler am Berliner Gorki Theater, Hans Kupfer in WEISSENSEE
„Es war ein Rausch. Ein Rausch, wir glaubten wir müssen platzen vor Energie“
„Ich kam ins Theater und da wurden gerade die ersten Wahlergebnisse durchgesagt. ……. Das kann doch gar nicht wahr sein. Das ist doch Wahlfälschung. Warum? Fragten welche. Weil, die hab ich doch gar nicht gewählt!“
„Ich vermisse die Wertlosigkeit des Geldes. Das heißt das Geld hatte nicht so eine Macht wie heute.“
„Das war eine traurige Zeit. Nicht für mich. Nicht für mich. Einfach für die Leute die es betroffen hat. Die plötzlich keine Orientierung mehr hatten. Wie kann ich denn jetzt? Was mach ich denn jetzt? Und das war ziemlich heftig.“
Anna Loos
damals Schülerin, Vera Kupfer in WEISSENSEE
„Die DDR sollte vergessen sein . Also weg damit! Alles Quatsch! Alles Scheiße“
„Ich bin eher so jemand, der sich auf das Hier und Jetzt konzentriert. Und ich da irgendwann da beantragen, mal zu lesen, wäre da irgendwann mal was gesagt hat, das ist mir, das war mir zu doof.“
Claudia Mehnert
damals Drucker-Lehrling, Nicole Henning in WEISSENSEE
„Ich hab gesagt: ich muss frei sein. Ich muss jetzt selber bestimmen, was ich will.“
„Das war eine Zeit in der man das Gefühl hat, oh ja doch, es ist alles möglich. Jeder kann alles. Da hatte man so dieses genau das Gefühl. Das alles jetzt geht. Dass man alles machen kann. Dass man alles erreichen kann.“
„Das war halt so wild, da brannte die Luft. Da hat jeder mal ebenso ohne Schanklizenz, ey haben wir der Party gemacht, zack, irgendwie für eine Mark hier den Wein … Also das war unglaublich. Da wusste ja keiner, wo melde ich das jetzt an? Muss ich da jetzt Steuern zahlen? Aber das war eben dieser kleine Spalt von ein paar Monaten, wo das alles möglich war.“
Marianne Birthler
damals DDR-Bürgerrechtsbewegung
„Da das saßen ja nun zumindest auf der Hälfte der Bürgerbewegung und der neuen Gruppierungen und Parteien, Leute die voller Hoffnung waren, voller Ideen – nicht alle waren realistisch – aber die was verändern wollten. Und es gab natürliche in Kampf mit der anderen Hälfte, die versuchte sozusagen noch zu retten, was zu retten ist.“
„Mir schwante schon im Wahlkampf, dass unser Konzept des sanften Wegs in die Einheit nicht viel Resonanz hat. Ich erinnere mich an freundliche Reaktionen aus dem Publikum, die sagten: nee Frau Birthler, nicht noch ein Experiment. Wir hatten gerade eins hinter uns.“
Ruth Reinecke
damals Schauspielerin am Berliner Gorki Theater, Marlene Kupfer in WEISSENSEE
„Und ich weiß, dass die Wahlen 1990 für mich persönlich ein Schock waren.
Weil die Entscheidung für die D-Mark und die ganz schnelle Hinwendung zu den blühenden Landschaften, und dass man das auch geglaubt hat, das konnte ich nicht fassen.
„Pausenlos klingelten Leute und wollten einem was verkaufen. Es war ich ja völlig absurd. Da waren Bauernfänger unterwegs. Das muss man einfach so sagen, wo man nur noch die Türe zugemacht hat, wo man gesagt hat, bleibt draußen! Ich habe wirklich andere Probleme.“
„Natürlich habe ich nach der Wende mir dann auch ein Auto zugelegt, weil man einfach mobil sein musste, und das war ein Albtraum. Also mich zu entscheiden für ein Auto war ein Albtraum. Kaufe ich ein Golf oder kaufe ich ein Citroën oder kaufe ich ein Renault, es war dann der Renault, der kleinste der passte gerade so.“
„Einen der größten Errungenschaften nach der Wende, finde ich die Öffnung der Stasiakten. So schmerzlich wie das ist: was man lernt über das Land, aus dem man kam und über die Strukturen und wozu Menschen fähig sind und was Menschen auch ausgehalten haben - das finde ich einen Schatz, dass erlebt zu haben.“
Arbeiterin Goldpunkt
„Ich muss ehrlich sagen, ich habe riesengroße Angst, da ich alleinstehend bin mit Kind, hab ich riesengroße Angst.“
Arbeiterin Goldpunkt
„Ich bin ne Mutter von 3 Kindern. Hab seit drei Jahren mein Meisterstudium hinter mir und ich arbeite jetzt 24 Jahre in diesem Betrieb und ich muss sagen ich werde alles dran setzen und kämpfe hier bis zum letzten dass unsere Arbeitsplätze erhalten bleiben.“
Werner Mehnert
damals Major in der NVA
„Ich saß neben einem Oberstabsfeldwebel der zwoten Panzergrenadierdivision und wir unterhielten uns so hin und her und der guckte mich plötzlich so an, von rechts: Herr Major, was machen wir nun mit unserem Feindbild? Scheint sich in Luft aufgelöst zu haben.“
„Ich mein, ich bin in diesen Staat hineingeboren, ich hab nichts anderes gekannt Hab mich einfach immer nur konform verhalten, war kein Revolutionär, aber auch kein DDR-Hasser. Ich seh das heute ohne Groll oder Probleme. Ich finde das eigentlich völlig richtig, dass Deutschland wieder vereint ist. Es kann gar nicht anders sein.“
Gordon Rapp
damals Treuhand
„Und es war nicht, wie wir's gewohnt waren aus'm Westen, dass Empörung und Unverständnis und irgendein Schuldiger gesucht wird, dass man sich mal Luft verschafft. Es war kollektives Schweigen. Die Menschen saßen da, haben die Nachricht aufgenommen, sind aufgestanden und gegangen. Das war ein sehr nachhaltiges Erlebnis für mich.“