Am Mississippi • Von Elvis zu Mark Twain
Memphis ist die größte Stadt am Mississippi, und dank Elvis ist sie auch die berühmteste. Fast 600.000 Fans pilgern jährlich zum Haus des „King“ nach Graceland – nur das Weiße Haus zieht noch mehr Amerikaner an. Eine schier endlose Prozession durch ein Anwesen voller Nippes und Devotionalien. Hier lebte Elvis Presley zwanzig Jahre bis zu seinem Tod, hier ist er unter einer Flut von Liebesgaben begraben.
Begonnen hat alles in einem unscheinbaren Eckgebäude im Sommer 1954, als ein junger, schüchterner 18jähriger hier sein Lied „It´s allright Mamma“ vorspielte. Heute gilt das als die Geburtsstunde des Rock´n Roll. Noch heute kommen Bands aus aller Welt zu Plattenaufnahmen in die „Sun-Record-Studios“. „Für uns ist Memphis das Mekka“, sagen uns die Musiker einer schwedischen Band, „und hier zu spielen ist die Erfüllung unseres Traums“.
Immer im Mai ist Memphis der Ort, an dem sich der Alltag in Amerikas Süden wohl von seiner sympathischsten Seite inszeniert: dann steht über der Stadt eine Wolke aus Hunderten von Holzkohlefeuern. Drei Tage lang präsentieren sich 250 Teams am Ufer des Mississippi bei der „Barbecue - Weltmeisterschaft“. Mächtige, von Schweinen gekrönte Goldpokale signalisieren eine todernste Angelegenheit, an der auch nur (vorher streng ausgewählte) Profi-Griller teilnehmen dürfen. Für die hungrigen Besucherscharen aber ist es eine riesige, ausgelassene Party.
Zwei Stunden von Memphis entfernt liegt die „Hurley“, das Flaggschiff und der Stolz des „Ingenieur Korps“ der US Army. Denn der ganze Lauf des Mississippi untersteht dem Militär. Es soll vor allem den ungehinderten Schiffsverkehr auf der Lebensader dieses großen Landes garantieren. Die „Hurley“ funktioniert dabei wie ein riesiger Staubsauger. Eixne wahre Sisyphos-Arbeit, gesteht uns Kapitän Frank Segree, denn die Versandung des immer schlammigen Flusses ist nicht aufzuhalten. Jahr für Jahr führt es die Männer der „Hurley“ deshalb immer an die gleichen Nadelöhre. Es gibt kaum einen Mississippi-Schiffer, mit dessen Lebensgeschichte „Captain Frank“ inzwischen nicht vertraut ist: „Das Seltsame ist, wir kennen uns seit Jahren nur über Funk, bevor wir uns zum ersten Mal die Hand schütteln.“
Schon lange vor der Ankunft des Weißen Mannes war der Mississippi ein bedeutender Handelsweg. In Cahokia am Ufer des Mississippi lebten vor 800 Jahren nach vorsichtigen Schätzungen 10.000 bis 20.000 Einwohnern. "Nur wer die Leute waren, wissen wir nicht", sagt Bill Iseminger, seit fast 30 Jahren Leiter der Grabungen in Cahokia, „und wir wissen nicht, warum die Mississippi-Kultur schon 200 Jahre vor der Ankunft von Kolumbus untergegangen ist“.
Die „Mississippians“ haben 120 künstliche Hügel in der Stadt errichtet. Der größte von ihnen, Monk's Mound, ist heute immer noch 30 Meter hoch und gilt als eine der größten Pyramiden der Welt. Beim jährlichen „Tag der Artefakte“ bringen Amerikaner von heute eine Fülle von Fundstücken ins Museum – nicht wenige erstaunt über das Alter und den Reichtum der Kulturen vor ihrer Zeit.
Ein paar Meilen stromaufwärts erreichen wir die letzte Etappe unserer Reise: Hannibal, den Geburtsort von Samuel Langhorne Clemens. Der Bürgerkrieg beendete die Laufbahn des jungen Kapitäns. Er wurde Schriftsteller und gab sich den Namen „Mark Twain“. Mit „Tom Sawyer“ und „Huckleberry Finn“ hat Twain dem Strom das literarische Denkmal gesetzt und den „Mythos Mississippi“ geschaffen.
Hannibal nennt sich „America´s Hometown“: Ein Bilderbuchstädtchen am Ufer des Mississippi, das ganz vom Erbe seines großen Sohnes lebt. Sorgfältig restauriert sind die Häuser, wo Twain, Tom, Huck oder Becky gelebt haben sollen, und auch der berühmte Zaun steht da so frisch gestrichen, als habe Tante Polly das gerade in Auftrag gegeben.