Voyages, voyages »Guilin und Guangxi«
Erstausstrahlung: Donnerstag, 28.11.02, 19.00 Uhr • arte
Ein Film von Peter Adler
Mitarbeit: Fang Yu
Kamera: Hans-Jörg Reinel • Ton: Wofgang Widmer
Schnitt: Bernhard Sehne
Redaktion: Wolfgang Brinkschulte und Achim Schoebel (mdr), Uta Cappel (arte)
Produktion: Sarah Sieber/Ottonia Media GmbH im Auftrag des mdr
Die Umgebung von Guilin in der autonomen Region Guangxi (so groß etwa wie die alte BRD, 43 Millionen Einwohner) gilt als die schönste Landschaft Chinas.
Die inmitten von Reisfeldern in die Höhe ragenden Karstberge sind zu einem weltweit bekannten Wahrzeichen Chinas geworden und ziehen mit ihrer bizarren Formenvielfalt jährlich viele Millionen von Besuchern an.
Doch Guangxi bietet mehr: Eine Landschaft der gigantischer Reisterrassen, mit tiefen Schluchten, wilden Flüssen und fantastischen Höhlenwelten. Dazu die Bräuche und Kulturen zahlreicher Völker. Ihre Sprachen, ihre Musik und Feste, ihre Kleidung und Architektur haben sich bis heute lebendig erhalten und machen eine Reise zu einem abwechslungsreichen Abenteuer. Nirgendwo ist China bunter als in seiner südlichsten Provinz - in Gaungxi.
Die Stadt Guilin ist Ausgangs- und Endpunkt unserer Reise. Pflichtprogramm für alle Guilin-Reisenden ist eine Schifffahrt auf dem Li-Fluss: Eine ganze Flotte bequemer Ausflugsdampfer schippert täglich gut vier Stunden flussabwärts durch die malerische Flusslandschaft. Eine Romantikreise pur, wären da nur nicht die dauernden Lautsprecherdurchsagen und das Geschepper der Musikberieselung. Am besten, man lässt es sich einfach gut gehen, fotografiert, kommt mit den chinesischen Gästen ins Gespräch (Tipp: nicht mit den teuren Ausländerschiffen fahren!) und genießt das leckere Essen an Bord. Nahezu wellenlos treibt der Fluss dahin, grünweiß streben Bergkegel in den blauen Himmel, und schon schiebt sich eine neue skurrile Form ins Blickfeld. Gigantische Bambusrohre ragen am Ufer auf, Fischer sägen daran herum und binden sie zu Flößen. Mit mächtigen Hörnern bewehrte Wasserbüffel stecken ihr Maul in den Fluss und schlürfen mit ihren langen Zungen das klare Wasser.
Endpunkt der Reise ist Yangshuo. Der kleine Ort hat sich im letzten Jahrzehnt zu dem Reiseziel für Rucksackreisende und Aussteiger entwickelt: Dutzende von gemütlichen Straßencafes, Trödelmärkte mit Souvenirs, billige und ausgezeichnete Restaurants mit westlichem und fernöstlichem Angebot ...
Ob amerikanisches Frühstück, französische Baguettes oder chinesische Kost aus allen Provinzen - die Köche in der »West Street«, der zentralen Fußgängerzone, lassen sich gern von den Rezepten der Besucher/Zuwanderer inspirieren.
Das Programm in Yangshuo kann eigentlich nur darin bestehen, ein Fahrrad zu mieten und einfach loszuradeln. Es gibt viele Einheimische, die für wenig Geld eine Tagestour anbieten, wo das Essen bei ihnen zu Hause im Bauerndorf bereits inbegriffen ist. Spektakulär: Das nächtliche Kormoranfischen auf dem Li-Fluss. Den Vögeln wird der Hals zugebunden, sodass sie ihre Beute nicht verschlucken können. Die Fischer holen den noch zappelnden Fisch aus dem Kormoran-Schnabel, und - schwupp - schon taucht der Vogel wieder ab.
Die Reisterrassen von Longsheng (etwa 100 Kilometer nördlich von Guilin) sind etwas für Wanderfreunde: Die weltweit einzigartige Anlage erstreckt sich über einen Höhenunterschied von 500 Meter. Jahrhundertelang wurde an dem komplizierten Bewässerungssystem gearbeitet. Tipp: Am schönsten zeigt sich das »Rückgrat des Drachens« (so die chinesische Bezeichnung) im Mai, wenn die Felder unter Wasser stehen! In einigen der Orte können Reisende in den typischen Holzhäusern des sangesfreudigen Zhuang-Volkes übernachten.
Keinesfalls versäumen: das Land der Dong! Ein paar Kilometer außerhalb der Stadt Sanjiang (ebenfalls nördlich von Guilin) bieten schöne Hotels Gastlichkeit im »Dong-Stil«, gleich neben der »Wind- und Regenbrücke« von Chengyang. Die 100 Jahre alte Brücke ist ein einzigartiges Kunstwerk, von den Dong-Handwerkern ohne einen Nagel oder Schraube gebaut (wie auch ihre Häuser). In den »Trommeltürmen« kann man den Einheimischen beim Kartenspielen zuschauen, überall rattern die Webstühle, waschen und färben die Frauen an den Flüssen, fast täglich wird irgendwo ein geräuschvolles (und alkoholhaltiges!) Fest gefeiert. Ein Spaziergang durch diese Dörfer ist ein Ausflug in ein Stück »altes China«.
Die Küste des Beibu-Golfs bietet traumhafte tropische Sandstrände und das Seebad Behai. Einst ein verschwiegener Kurort für Chinas Parteiführung, heute das Denkmal gescheiterter Tourismusträume: Tausende Bauruinen verunstalten die »Silver Beach«. Doch Behai bietet auch einen malerischen Fischerhafen mit ausgezeichneten Restaurants. Überall werden noch die traditionellen Dschunken gebaut, leben die Menschen auf Hausbooten. Die Altstadt ist die letzte erhaltene »Kolonialstadt« Chinas: Kaufleute aus acht Ländern hatten hier ihre Niederlassungen gebaut, denn Behai war Ausgangspunkt der »östlichen Seidenstraße«. Wird dieses Kulturdenkmal erhalten bleiben - oder der Spitzhacke zum Opfer fallen?
Kaum erschlossen ist der Westen der Provinz: In den »Dörfer der Langlebigen« sollen (proportional zur Bevölkerung) weltweit die meisten Überhundertjährigen leben. Wir treffen auch den 106-jährigen Herrn Huang, der heute noch voller Inbrunst die revolutionären Lieder aus der Zeit von Maos »Langem Marsch« singt. Er verrät uns einige seiner Geheimnisse der »Langlebigkeit«.
Beim Volk der Yao spielen interessante Bräuche bei der Beziehung der Geschlechter eine große Rolle: Frauen und junge Männer leben hier in »freier Liebe«, wenigstens bis zur Hochzeit.
Ein Höhepunkt unserer Reise: die Bootsfahrt durch die »Bainiao-Höhle« nahe der Stadt Bama. Auf einem unterirdischen Fluss tauchen wir fast 2 Kilometer weit ein in die geheimnisvollen, prächtigen Kathedralen aus Stalagtiten. Ab und zu lässt ein Lichtstrahl von außen das Wasser magisch türkis aufschimmern. Der Kegel unserer Lampen scheucht tausende Fledermäuse aus ihrem Schlaf, bevor uns der Berg weiter und weiter verschlingt. Ein mystisches, ganz und gar ungefährliches Abenteuer, das seinesgleichen sucht.