Voyages, voyages: »Apulien & Basilikata«
Sendetermin: Donnerstag, 22.08.02
19.00 - 19.45 Uhr • arte
Ein Film von Peter Adler • Kamera: Hans-Jörg Reinel • Ton: Wolfgang Widmer • Schnitt: Bernhard Sehne
Redaktion: Wolfgang Brinkschulte und Achim Schoebel (mdr), Uta Cappel (arte)
Produktion: Sarah Sieber/Ottonia Media GmbH im Auftrag des mdr
Apulien und die Basilikata - das ist eine Entdeckungsreise wie mit der Zeitmaschine. Hier ist Geschichte lebendig.
Ein Höhepunkt: die »Sassi« von Matera. Himmel und Hölle auf einem Fleck. Die riesige Höhlenstadt - seit 1993 als Weltkulturerbe geschützt von der UNESCO - schlägt jeden in ihren Bann. Wo bis in die fünfziger Jahre noch Zehntausende auf engstem Raum und unter oft erbärmlichen Umständen lebten, leben mußten, - da wollen heute Künstler wohnen und Software-Designer arbeiten! Sogar ein Hotel bietet echtes Höhenambiente, mit allem Komfort natürlich. Der Holzschnitzer Domenico, vor über 70 Jahren in einem Sasso geboren, führt uns auf eine Entdeckungsreise in die Welt seiner Kindheit. Spurensuche in einer unterirdischen Welt, in die neues Leben zurückkehrt. Süditalien - live.
Wer weiß schon, dass im Schatten der mächtigen Tempelruinen von »Magna Greca« (der griechischen Kolonien vor 2500 Jahren) bis heute hier noch Dörfer existieren, wo ein paar tausend Menschen die Sprache ihrer alten Heimat sprechen? Versteckte Flecken, in kaum einem Reiseführer erwähnt, - dort trifft »Voyages, voyages« die Grikos, die letzten Nachfahren des Odysseus.
Jetzt wird die Sprache Homers sogar wieder in den Schulen unterrichtet - und die Gruppe »Avleddha« spielt »altgriechische« Popmusik!
Sind auch die Trulli, die typischen Bauten des südlichen Apulien, ein Erbe aus mythischer Vorzeit? »Tholos« heißt Kuppel auf griechisch - eine mögliche Antwort von vielen auf das Rätsel dieser typischen Rundhütten, die wie Kegel meist zu mehreren zusammen stehen. Alberobello ist die Hauptstadt des Trullilandes, heute eine Art Freilichtmuseum. Hier kann man in Ferienwohnungen echtes Trulli-Feeling tanken. »Voyages, voyages« ist eingeladen auf einem alten Gehöft, wo die Traditionen bis heute lebendig sind!
Vor 1000 Jahren herrschten die Normannen über Apulien. Gestrandete Kreuzritter, Nachfahren der Wikinger und Herrscher über große Teile Frankreichs. Wilde Kerle waren sie und fromme Kirchenbauer, in Trani setzten sie sich ihr schönstes Denkmal. Die Tochter ihres letzten Herrschers heirate den deutschen Kaiser - und war die Mutter jenes Mannes, der Apulien den größten Glanz brachte: Friedrich II. Von hier aus herrschte der Staufer über ein Reich, das von der Nordsee bis nach Sizilien reichte. Noch heute ist das Land übersät mit den Herrschersitzen dieses Monarchen. In der Staufer-Burg Lagopesole werden alljährlich Ritterspiele zu seinen Ehren abgehalten. Hier rätseln Wissenschaftler über eines der geheimnisvollsten Bauwerke der Welt: Dem achteckigen Castel del Monte.
Was soll der seltsame Grundriss bedeuten? Welchen Zweck erfüllte dieses magische Bauwerk, diese »Kaiserkrone aus Stein«? Auch die Forscher können nur spekulieren. Die kalte, leere Pracht der Räume verbirgt aber ein schreckliches Drama: Hier fristeten die drei letzten Enkel des Kaisers als Gefangene Karl von Anjous (des neuen Herren) eine lebenslange Gefangenschaft in Ketten. Die schönste Burg ihres Großvaters wurde ihr lebendiges Grab.
Unruhig waren die Zeiten hier stets - und wer es zu etwas brachte, der mußte es verteidigen. Die reichen Bauernhöfe dieses fruchtbaren Landes, die »Masserie«, gleichen noch heute prachtvollen Festungen.
In den vergangenen Jahrzehnten sind viele verfallen - jetzt soll sie ein großes Förderprojekt der EU retten: Urlaub auf der Masseria - das ist ein »Schloßerlebnis« der ganz besonderen Art. Umgeben von den Köstlichkeiten des Landes kann man sich hier verwöhnen lassen und schlemmen wie der Landadel feudaler Zeiten. Auch das Team von »Voyages, voyages« läßt es sich hier gutgehen - Alle 11 Gänge sind im Bild festgehalten!
Uralt, meist sogar heidnischen Ursprungs, sind die großen Feste Süditaliens. In Accetura, einem kleinen, unscheinbaren Bergdorf im Herzen der Basilikata, feiert man eines der spektakulärsten: den Maggio. Der Mairitus hängt mit dem heidnischen Brauch der Bäume zusammen. Ein Baum (Maggio) wird im Wald von Montepiano gefällt, entlaubt und entrindet. Der »Maggio« wird dann mit zehn Paar Ochsen zum Dorf getragen, eine langsame Prozession, die zum ausgelassenen Volksfest wird. Im Dorf wird der Maggio mit einem Eichenbäumchen der »Cima« vermählt. Die Männer wetteifern ihn zu erklimmen (die Naturkräfte zu bezwingen), die Frauen tanzen die »Tarantella«. Ein großes Fest mit viel Musik, zu dem die Gäste von weither kommen.
Padre Pio, der 1968 verstorbene Wundermönch zieht jährlich sieben (!) Millionen Pilger in seinen Bann nach San Giovanni Rotondo. Renzo Piano, der Stararchitekt des Potsdamer Platzes, hat eine riesige Kathedrale zu seinen Ehren gebaut. »Voyages, voyages« schließt sich den Pilgernden an - eine Reise zwischen Kitsch, Kommerz und Kult, ein Bericht über ein ganz anderes Italien.
Haben wir noch etwas vergessen? Ja, natürlich: das Meer. Hunderte von Kilometern türkisfarbene Küsten, Buchten, Strände. Ein Traum. Unsere Begegnungen mit dem Meer finden ganz romantisch in zwei Häfen statt:
Einmal in Bari, wo alljährlich mit einem Schiffskorso der erfolgreiche Raubzug nach den Knochen des heiligen Nikolaus gefeiert wird (und die Frauen wie seit Jahrhunderten die »Orecchiette«, die Öhrchennudeln für den Festschmaus, drehen).
Das anderemal in Maratea, einem verschlafenen, wie durch ein Wunder vom Massentourismus bis heute verschonten Stück unverfälschter Küstenlandschaft. Italien - wie aus dem Urlaubsbilderbuch.