Auf Jamal
Regie: Peter Adler
Buch: Peter Adler, Oxana Evdokimova
Kamera: Eugen Schlegel
Schnitt: Bernhard Sehne
Produktion: Solveigh Hardt (LeVision Leipzig)
Redaktion: Achim Schöbel, Wolfgang Brinkschulte(MDR), Catherine Le Goff (ARTE)
Jamal ist eine Halbinsel im Nordwesten Sibiriens und heißt „Rand der Welt“ in der Sprache der Nenzen. Sie sind die letzten Rentier-Nomaden und leben wie seit jeher in Einklang mit der Natur.
Familie Tibitschi bewohnt ein Zelt aus Rentierfellen. Rundherum nur die endlose Weite der Tundra. Es gibt weder Strom noch Telefon. Sie leben von ihrer Herde, von den Fischen im Fluß, von Beeren und Pilzen: Michail, der Vater, ist einer der letzten Schlittenbauer seines Volkes. Wie seine Vorfahren schon baut er das traditionelle Transportmittel mit einfachsten Werkzeugen und ohne dabei ein einziges Stück Metall zu verwenden. Sein jüngster Sohn, der 10jährige Jeiko hilft ihm und lernt dabei. Die fünfzehnjährige Tochter Lida und ihre Mutter bearbeiten die Felle und kümmern sich um die Kochstelle. Frische Lebensmittel holen sie aus einem Loch in der Erde: 50 Zentimeter unter der Grasnarbe beginnt der Permafrost – doch Jahr für Jahr, berichtet Tatjana, müssen sie jetzt tiefer Graben. Der Klimawandel bedroht die Lebenswelt der Menschen, die ihn am wenigsten verursacht haben.
Die älteren Kinder der Tibitschis sind im Sommer mit den Rentieren weit im Norden unterwegs. Mit der Rückkehr der riesigen Herden erleben wir ein spektakuläres Schauspiel. Zum ersten mal gibt es jetzt auch wieder Fleisch: Das noch warme Rentier wird an Ort und Stelle und roh verzehrt, dazu wird sein Blut getrunken. Das, so sagen die Nenzen, gibt Kraft für ihren langen Zug bis zu den winterlichen Weidegründen in den Waldgebieten der Taiga.
Für die Nenzen ist Ja Men - die Erde - der Ursprung der Menschheit, sie ist die Urmutter. Die Erde ist der Platz, auf dem von dem man lebt. Sogar wenn man stirbt, darf man sie nicht verletzen. Doch Jamal ist Gasland. Überall im Land der Rentiere wachsen die Bohrtürme. Von hier kommt die Energie für uns im benachbarten Europa. Im Boden von Jamal liegen fast 90 % der russischen Gas-Vorräte und ein Viertel der Welt-Reserven. „Atem der Erde“ heißt das Gas in der Sprache der Nenzen, und es scheint so, als würde mit dem Gas auch die Kultur der Nenzen verschwinden.
Als Vorbereitung für ein Leben in der Zivilisation besuchen Lena und Jeiko – wie alle nenzischen Kinder – 11 Jahre lang einSchulinternat. Neun Monate im Jahr versuchen russische Erzieherinnen aus Nomadenkindern Bürger einer globalisierten Welt zu machen. „Wir müssen ihnen unsere Regeln aufzwingen“, sagt Erzieherin Tatjana, und: „Es gibt kein Zurück mehr zum Alten“. Lena und ihr Bruder Jeiko aber wollen – wie viele andere junge Nenzen - nach der Schule zurück in die Tundra und zu ihren Herden. Dort, sagen sie, gehören wir hin.