Paris, Ural
Buch und Regie: Peter Adler, Oxana Evdokimova
Kamera:Tobias Albrecht
Schnitt: Bernhard Sehne
Produktion: Solveigh Hardt (LeVision Leipzig)
Redaktion: Achim Schöbel, Wolfgang Brinkschulte(MDR), Catherine Le Goff (ARTE)
Seit vier Jahren ist der „Eiffelturm“ das Wahrzeichen von Paris im Ural. Eine russische Telefongesellschaft hat ihn hier nachbauen lassen, zu Reklamezwecken. Die kleine Ortschaft im südlichen Urals war einst der Vorposten Europas.
Vor mehr als 200 Jahren sollten Kosaken hier die Grenze des Zarenreichs verteidigen. „Im Krieg gegen Napoleon haben wir Kosaken Mut gezeigt und so manche Heldentaten in Europa vollbracht“, erklärt uns der heutige Kosaken-Chef Nikolai Fadejew: „Als Belohnung durften unsere Vorfahren nach der Rückkehr in die Heimat ihren Militärsiedlungen neue Namen geben. Sie nannten sie nach den Orten ihrer Siege, und wir heißen Paris.
Nikolai gehört, wie die meisten hier, zum Volk der Nagaibaken.
Einst waren sie muslimische Tartaren. Zar Iwan der Schreckliche hat sie zum Christentum bekehrt, vor über 400 Jahren. Aber noch heute sprechen die 9000 Nagaibaken ihre eigene Sprache und sind stolz auf ihre Kultur.
Noch gibt es in Paris kein fließendes Wasser, doch Natalia Timejewa und ihr Mann setzten auf die Zukunft und eröffneten eine Pelmeni-Fabrik. Pelmeni gelten als russisches Nationalgericht, wahrscheinlich aus Asien eingewandert. Diese Teigtaschen sind zumeist mit Fleisch gefüllt, und jeder hat ein eigenes Rezept. Hier macht man sie auf „Pariser Art“ und räumt davon, sie eines Tages auch im „großen“ Paris zu verkaufen.
In der nahegelegenen Stadt Satka hat es Jury Iwanowitsch Kitov in 15 Jahren vom Arbeiter zum Oligarch gebracht. Der reichste Mann weit und breit hat sich für den Führungsstil seines Unternehmens ein Vorbild ausgesucht: Stalin. Sein ganzes Unternehmen gleicht einem Stalin-Museum. Seinen Reichtum verdankt er den Konfliktherden der Welt. Viele Hundert Frauen nähen in seinen Fabriken kugelsichere Westen. Vom Erlös baut sich Jury Iwanowitsch in einem nahen Naturschutzgebiet eine Art russisches Disneyland, - der Einritt ist frei.
Die Metallwerke im nahen Zlataust produzierten vor kurzem noch vor allem Panzer. Jetzt fertigt man hier Schmuckwaffen. Deutsche Handwerker brachten diese Fertigkeit vor 200 Jahren aus Solingen in den Ural. Zierten einst die Insignien der Sowjetmacht die Klingen für Stalin, Breschnew oder Stasi-Chef Mielke (alle im Werksmuseum zu bestaunen), haben heute junge, kreative Künstler freie Hand.
Die Reise endet, wo sie begann: in Jekaterinburg, der dynamischen Metropole des Ural. Hochzeitspaare fahren dort zu einem Monument, das die Grenze zwischen den Kontinenten markiert. Ein Brauch soll allen Glück bringen: Gemeinsam mit einem Schritt hinüber, mit dem anderen zurück – so nah kann man sich sein, auch wenn man ganz verschieden ist.