Der Milliardendeal
MDR 2014, 45 Minuten
Buch und Regie: Peter Adler
Kamera und Schnitt: Bernhard Sehne
Redaktion: Heribert Schneiders, Astrid Harms-Limmer
Franz-Josef Strauß: Er galt als der kalte Krieger, der Revanchist, der Atom-Lobbyist, der Affären-Politiker, der Bierzelt-Demagoge. Die Abneigung gegen ihn Verband die Liberalen und die Linken in Ost und West. „Dieser Strauß ist gefährlich. Dieser Strauß ist der starke Mann des deutschen Imperialismus“ – so das Resümee von DDR-Propagandist Karl-Eduard von Schnitzler. Kann man über Strauß eine Dokumentation machen, die sich nicht als Abrechnung mit einem politischen Gegner versteht?
Die andere, oft übersehene Seite des Franz-Josef Strauß: Die des politischen Strategen. Sein Glanzstück war die politische Sensation des Jahres 1983: Nach wochenlangen Geheimverhandlungen vereinbarten der bayerische Ministerpräsident Strauß und Honeckers Unterhändler Schalck-Golodkowski einen Milliardenkredit, der die überschuldete DDR vor einer drohenden Staatspleite rettete.
Über die Hintergründe dieses bis dahin einmaligen deutsch-deutschen Deals sprechen im „Milliardendeal“ u.a. die Strauß-Kinder Monika Hohlmeier und Max Josef Strauß, der damalige CSU-Generalsekretär Edmund Stoiber , Helmut Kohls früherer Kontakt-mann zur DDR-Führung, Staatsekretär Philipp Jenninger sowie der frühere DDR-Außenhändler Alexander Schalck-Golodkowski.
Was bewog ausgerechnet Franz Josef Strauß, den Staatsfeind Nr. 1 der DDR, zu deren – vorrübergehender- Rettung? Diese Dokumentation bringt Licht in die undurchsichtigen Vorgänge aus der Zeit des Kalten Kriegs. Zum ersten Mal öffneten für ein Fernsehteam die Tore von Gut Spöck, dem Schauplatz der Geheim-verhandlungen und Gästehaus des Strauß-Freundes Josef März. Dieser bayrische „Wurstkönig“ hatte die Kontakte zwischen Strauß und der DDR vermittelt, er war CSU-Schatzmeister und zugleich bedeutender Handelspartner der DDR.
Der Milliardenkredit, so belegen Dokumente und Interviews, war ein Produkt enger privater Beziehungen und handfester wirtschaftlichen Interessen, - aber auch eines eiskalten strategisch-politischem Kalküls: „Strauß und Kohl haben“ so Alexander Schalck Golodkowski in seinem letzten, mit diesen Passagen noch nie zuvor veröffentlichten Interview, „ ganz zielstrebig eine schleichende Abhängigkeit der DDR von der Bundesrepublik vorbereitet“.
Im Jahr 1982 glich die DDR– so die Formulierung der Ost-Wirtschaftsexpertin Maria-Haendcke-Hoppe-Arndt – „einer ausgepressten Zitrone“. Die Zinsen eines riesigen Schuldenbergs verschlangen sämtliche Exporterlöse des Landes. Die Versorgungsengpässe bekam jeder zu spüren. Nicht zuletzt die Angst vor den unkalkulierbaren Folgen eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs der DDR und vor Unruhen (die selbst Stasi-Chef Mielke in einer Geheimrede befürchtete) bewog Strauß und Honecker zum historischen Händedruck der Erzfeinde . Bundeskanzler Kohl überließ seinem Rivalen, dem in der Linken als „Kommunistenfresser“ angesehenen F. J. Strauß bewusst die neue Rolle des moderaten Ostpolitikers. Der Antikommunist aus Bayern sollte konservative Unionsanhänger einbinden. Doch viele CSU-Mitglieder verließen aus Protest die Partei, am rechten Rand folgte die Gründung der „Republikaner“ in Bayern.
Als Gegenleistung für den Kredit und ihr weiteres ökonomische Überleben begann die DDR die Selbstschussanlagen an der Grenze abzubauen und Erleichterungen für ausreisewillige Bürger einzuräumen. „Die Leute hofften auf Veränderungen“, beobachte der Stefan Wolle, damals junger Historiker in der DDR. Besonders F. J Strauß wusste seine neuen Kontakte zu Honecker hierbei zu nutzen. Die im Film rekonstruierte dramatische Geschichte der Familie Weiß aus Öderan (Erzgebirge) steht für die mehr als 12.000 dokumentierten Fälle, bei denen Strauß über seine stillen Kanäle zur DDR-Führung eine Ausreiseerlaubnis bewirken konnte.
Buch und Regie: Peter Adler
Kamera und Schnitt: Bernhard Sehne
Redaktion: Heribert Schneiders (MDR), Astrid Harms-Limmer BR)